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Historische Postkarte. Grunewald-Villen in der Hubertusbader Straße. In dem schlossartigen Mietshaus mit dem Namen Villa Rochus lebte bis zu seinem Tod 1915 der Maler Fritz Döring, der Großvater meiner Mutter.

Bericht vom Berliner Busausflug „Der reiche Südwesten“

Mit 20 Teilnehmern und einem neuen Bus – nein, der Bus war nicht neu, sondern die Firma, denn leider gibt es „Gegenwind ‚“ nicht mehr – startete meine Premierentour pünktlich und verlief bestens. So jedenfalls erschien es mir, der recht aufgeregt war, handelte es sich doch um meine erste Halbtagesrunde im einstigen amerikanischen Sektor Westberlins. Viele hunderte Male bin ich durch diese Bezirke Berlins privat gefahren. Hier wohnen Freunde, Verwandte und auch nach Potsdam, wo ich bekanntlich zuhause bin, kommt ein Autofahrer am besten über die Avus oder über Steglitz-Zehlendorf. Hier zu recherchieren um schließlich eine größere Tour anzubieten, war mir starkes Bedürfnis und hat auch dementsprechend Spaß gemacht. Freilich habe ich mir viel Kopfzerbrechen bereitet mit der Auswahl und der Entscheidung, was auf dem Kurs liegt und wie wir am effektivsten fahren. Die Idee war als roten Faden die Villenkolonien Berlins einmal im Zusammenhang hier für den Südwesten zu zeigen, wohlgemerkt die recht weit auseinanderliegenden und auch untereinander recht verschieden angelegten. Dabei müsste sich wie von selbst die schöne und abwechslungsreiche Landschaft des Stadtbezirks und seiner Grenzlagen zu Potsdam-Brandenburg zeigen. Außerdem war ein dramaturgischer Gedanke, zwei längere attraktive Strecken ohne Stadtcharakter einzuflechten: Die Havelchausee durch den Grunewald, der ja für alle berührten Stadtgebiete wichtiger Nachbar ist, und dann die Vororte von Babelsberg bis Kleinmachnow. Hier liegen ja auch Berliner Friedhöfe des Südwestens und Kleinmachnow gehörte einst zu Zehlendorf. Auf Kurs lagen nach der Havelchaussee Nikolassee mit der Rehwiese, die der Fahrer Wolfgang Kopp mir vertrauend zur Hälfte umfahren hat. Danke, das ist nicht einfach, denn die Hangstraße ist ein wenig wie in einem Gebirge angelegt! Anschließend ging es zur Onkel-Tom-Siedlung, die unter maßgeblicher Beteiligung von Bruno Taut gebaut wurde. Und weiter über den Mexikoplatz dann zum Waldfriedhof Zehlendorf, wo ich einen kleinen Spaziergang zu den Gräbern von Scharoun, Willy Brandt, Ernst Reuter, Hildegard Knef und Erwin Piscator einlegte. (der Friedhofsgang zum „Selbstmörderfriedhof“ entfiel, weil ich die Streckte für zu lang und die Vegetation im Wald für noch nicht attraktiv einschätzte).

Mittagsrast war dann nach einer kleinen Runde durch die einstige Alsen-Villenkolonie direkt am Wannsee beim „Seehasen“ auf der Terrasse. Hat bestens geklappt, ging schnell, war schmackhaft. Die Nachmittagsrunde ging über Steinstücken zur Machnower Schleuse und über Zehlen-dorfs Zentrum nach Lichterfelde, wo ich die einstige Kadettenanstalt zeigen konnte und neben die historischen Villen in der Potsdamer Straße auch die neuen Eigenheime im „Schweizer Viertel“. Von hier ist es nicht weit bis nach Dahlem, wo ich an der Dorfkirche einen Ausstieg geplant hatte, um das Grab von Rudi Dutschke zu besuchen. Viele weitere Persönlichkeiten liegen auf diesem wohl berühmtesten Berliner Dorffriedhof. Gleich nebenan liegt das Universitätsviertel von Dahlem mit den Lehrgebäuden aber auch weltberühmten Forschungsstätten, wie dem Hahn-Meitner-Institut in der Thielallee, wo im Dezember 1938 die welterste Kernspaltung gelang und von Lise Meitner (aus dem Exil!!) bahnbrechend für die Wissenschaft des 20. Jahrhunderts interpretiert wurde. Vorletzte Station war das Viertel der einstigen amerikanischen Besatzungs-kräfte, wo wir die Militärkirche besuchten, die heute von einer amerikanisch – deutschen evangelischen und katholischen Gemeinde genutzt wird.  Zum guten Schluss hatte ich mir die Villenkolonie Grunewald gelassen, denn hier gibt es nicht nur schöne Häuser und Gärten, sondern auch berühmte Bewohner – und das auf Schritt und Tritt. Wir sahen die einstigen Adressen von Brigitte Mira, dem Kaufhaus-Tietz, Walter Rathenau, Alfred Kerr, Friedrich-Wilhelm Murnau, Engelbert Humperding und Romy Schneider….

Am Ende ließ ich den Bus neben dem „Gleis 17“ am S-Bahnhof Grunewald halten, gleichzeitig auch für den Umstieg zur S-Bahn. Jeder der sie noch nicht kannte, diese furchtbaren Bahnsteige, von denen in den 40er Jahren zigtausende jüdische Berliner in die Ghettos und Vernichtungs-lager zwangsausgewandert wurden, hatte nun eine unvermeidliche Gelegenheit….

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